In diesem Beitrag erklären wir, wie Kunden bei Online-Portalen wie Parship, ElitePartner, Tinder & Co. aus einem kostenpflichtigen Abo rauskommen – von Widerruf, Sonderkündigungsrecht (fristlose Kündigung) und Wertersatz.
Ausgangssituation: Abo bei Online-Dating-Portal
Oft werden Kunden mit günstigen Schnupperabos in kostenpflichtige Mitgliedschaften bei Dating-Portalen wie Parship, Elite Partner oder Tinder gelockt. Kündigt der Kunde dann nicht rechtzeitig zum Ende des Abos, verlängert es sich automatisch. Wenn es dann auch nach mehreren Versuchen mit dem richtigen Partner nicht klappt (angeblich verliebt sich ja alle 11 Minuten ein Single über Parship – was bei geschätzt 5 Millionen Mitgliedern rein rechnerisch ohnehin eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit ist) und kein passender Vorschlag dabei ist, wollen viele Kunden enttäuscht den Vertrag so schnell wie möglich beenden.
Kostenloser Account und kostenpflichtiges Abo
Für die reine Registrierung bei den Online-Portalen fallen meist keine Kosten an. Der kostenlose Account beinhaltet aber meist nicht das Versenden und Erhalten von Nachrichten zur Kontaktaufnahme mit einem anderen Single und das automatische „Matching“ mit anderen Singles, also das Abgleichen auf Übereinstimmungen. Dafür ist im Regelfall ein kostenpflichtiges Abo, eine sogenannte „Premium-Mitgliedschaft“, nötig.
14-tägiges Widerrufsrecht für Verbraucher
Da solche Verträge im Regelfall online oder telefonisch geschlossen werden, greift hier der Verbraucherschutz und der Kunde hat ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Er kann also innerhalb von 14 Tagen den Vertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen.
Wertersatz für bis zum Widerruf bereits erbrachte Abo Leistungen
Hat das Datingportal bzw. die Singlebörse aber bis zum Widerruf durch den Kunden bereits Leistungen erbracht – also z.B. Partnervorschläge gemacht oder es wurden Kontakte zu anderen Singles geknüpft – muss der Kunde dem Portal den Wert dieser Leistungen ersetzen (sog. Wertersatz). Dies gilt aber nur, wenn der Verbraucher von dem Portal ausdrücklich verlangt hat, dass dieses mit der Leistung bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und über die rechtlichen Folgen des vorzeitigen Beginns ordnungsgemäß informiert worden ist. Da die Belehrungen meist korrekt sind, die Leistungen normalerweise ab Vertragsschluss genutzt werden können und Kunden diese Möglichkeit fast immer nutzen, ist dies der Regelfall.
Bei der Berechnung des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis zu Grunde zu legen. Weitere Vorgaben macht das Gesetz nicht.
In der Praxis sind die Forderungen der Portale im Falle eines Widerrufs meist recht hoch. Beträge von 300 € oder 400 € sind keine Seltenheit. Dies beruht darauf, dass das Portal den Wertersatz anhand der geknüpften Kontakte berechnet. Da z.B. Parship 7 Kontakte pro Jahr garantiert, hat der Kunde demnach bereits die gesamte Leistung für 1 Jahr erhalten, wenn er in den ersten zwei Wochen der Mitgliedschaft mindestens 7 Kontakte geknüpft hat. Als Kontakt gilt bereits eine Kontaktaufnahme des Kunden mit einem anderen Single, wenn dieser direkt mit „kein Interesse“ antwortet. Nach den AGB von Parship muss der Kunde in diesem Fall die maximale Entschädigung von drei Vierteln des Mitgliedsbeitrags zahlen.
Urteile von Gerichten bzgl Abo oft zu Gunsten der Kunden
Akzeptiert der Kunde die Forderung des Datingportals nicht und geht die Sache vor Gericht, sind die Chancen für die Kunden nicht schlecht. Oft urteilen die Gerichte zu Gunsten der Kunden.
Selbst wenn der Kunde den geforderten Betrag bereits bezahlt hat, kann er bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von 3 Jahren die Rückerstattung eines überhöhten Wertersatzes verlangen.
Urteil Amtsgericht Hamburg, Az.: 8b C 71/17: Wertentschädigung nicht nach Kontakten sondern zeitanteilig
Die Richter haben in diesem Fall entschieden, dass die Wertentschädigung nicht nach Kontakten, sondern zeitbezogen zu berechnen ist. Nutzt der Kunde das Portal also nur wenige Tage, muss er auch nur anteilig für diese Tage bezahlen. Oft steht dem Portal daher nur ein relativ kleiner Betrag von 20 € bis 30 € zu.
Urteil EuGH vom 08.10.2020, Az.: C-641/19: Kosten für Persönlichkeitstest und Gutachten nicht separat zu ersetzen
Auch der EuGH hat bereits entschieden, dass das Datingportal nur einen anteiligen Wertersatz verlangen kann. Dies gilt auch dann, wenn innerhalb der ersten Tage ein Persönlichkeitstest stattgefunden und ein umfangreiches Gutachten erstellt worden ist. Die Kosten dafürhätte das Datingportal nur dann in voller Höhe und nicht nur anteilig einbehalten dürfen, wenn diese Leistungen eindeutig als Einzelleistungen im Vertrag aufgeführt worden wären und nicht als Teil des Abos.
Urteil BGH vom 17.06.2021, Az.: III ZR 125/19: zeitanteiliger Wertersatz
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat schon entschieden, dass der Plattformbetreiber nur einen zeitanteiligen Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen verlangen darf.
Sonderkündigungsrecht bei Abo (Recht auf jederzeitige fristlose Kündigung)
Auch wenn die Widerrufsfrist bereits abgelaufen ist oder sich der Vertrag automatisch verlängert hat, kommen Kunden unter Umständen noch aus dem Vertrag raus.
Ob ein Sonderkündigungsrecht besteht, hängt davon ab, ob es sich bei dem Portal um eine Singlebörse oder um eine Partnervermittlung handelt. Bei einer Singlebörse stellt das Unternehmen nur eine Plattform zur Verfügung, über die sich Singles kennen lernen können. Dies ist etwa bei Tinder der Fall. Bei einer Partnervermittlung macht das Unternehmen dagegen anhand einer Persönlichkeitsanalyse oder anderer Tests Vorschläge für Singles, die gut zum Kunden passen könnten (sog. Single-Matching). Dies ist bei Parship und ElitePartner der Fall.
Bei einem Vertrag mit einer Singlebörse handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag. Dieser ist nur mit der vereinbarten Kündigungsfrist zum Ende der Laufzeit kündbar. Bei Neuverträgen ab März 2022 kann der Kunde den Vertrag nach der Erstlaufzeit jederzeit mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat kündigen. Ansonsten besteht nur die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung, also einer fristlosen Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Voraussetzung dafür ist aber das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Allein der ausbleibende Erfolg beim Kennenlernen eines passenden Singles genügt nicht.
Bei der Partnervermittlung handelt es sich dagegen nach Ansicht vieler Gerichte um sogenannte Dienste höherer Art gemäß § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da diese Verträge ein besonderes Vertrauensverhältnis des Kunden zum Vertragspartner voraussetzen, können sie jederzeit und ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt werden. Auch der BGH hat dies in der Vergangenheit schon mehrfach so gesehen, etwa in zwei älteren Entscheidungen aus den Jahren 1987 bzw. 1990 (Az.: IVa ZR 99/86 und IV ZR 160/89). Dass diese Entscheidungen wohl immer noch maßgebend sind, belegt ein neueres Urteil des Landgerichts Traunstein aus dem Jahr 2014 (Az.: 1 S 3750/13). Danach gelten die bisherigen Grundsätze auch bei einer Online-Partnervermittlung. Es ist nach Ansicht der Richter nicht entscheidend, ob das Partnervermittlungs-Unternehmen einen Karteikasten mit Kundenkarten und Kundenfotos nutzt oder ob die Kundendaten und Kundenbilder im PC gespeichert sind.
Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale gegen den Betreiber von Parship und Elite Partner vom 24.01.2022
Inzwischen gibt es auch eine Musterfeststellungsklage einer Verbraucherzentrale gegen den Betreiber der Online-Portale Parship und ElitePartner (Hanseatisches Oberlandesgericht, Az.: 3 MK 2/21). Dabei geht es um die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit von Klauseln in den AGB zur automatischen Vertragsverlängerung sowie um das Recht, den Vertrag jederzeit fristlos zu kündigen, und die rechtlichen Folgen einer solchen Kündigung. Die Verbraucherzentrale möchte mit der Klage erreichen, dass das Gericht Folgendes feststellt:
- Kunden haben ein Sonderkündigungsrechts gem. § 627 BGB, also das Recht, den Vertrag jederzeit fristlos zu kündigen.
- Nach einer fristlosen Kündigung muss der Kunde nur eine zeitanteilige Vergütung zahlen, deren Höhe sich allein nach der Dauer des Vertrages bis zur Kündigung richtet.
- Die Klausel in den AGB, nach der sich der Vertrag automatisch um ein Jahr verlängert, sofern er nicht spätestens 12 Wochen vor Ablauf der Mindestlaufzeit (Erstlaufzeit) gekündigt wird, ist unwirksam.
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