Handelt es sich bei einem Ausstellungsfahrzeug um einen Neuwagen oder ein Gebrauchtfahrzeug? Wir erläutern das aktuelle Urteil in diesem Beitrag.
Ist ein Ausstellungsfahrzeug anders als ein Vorführwagen unbenutzt und damit Neufahrzeug?
Ein Käufer erwarbt Ende 2019 in der Münchener Niederlassung eines Automobilherstellers ein „Neufahrzeug“ mit einem Listenpreis von rund 60.000 € für einen Kaufpreis von etwas über 43.000 €. Das Fahrzeug war 2018 produziert und seither nicht zugelassen oder gefahren worden, sondern in einer anderen Niederlassung des Herstellers ausgestellt. Vor Abschluss des Kaufvertrages hatte der Verkäufer erklärt, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Lagerfahrzeug handelt, das noch aus einer anderen Niederlassung überführt werden muss.
Nur etwa einen Monat nach Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer war die Batterie des Fahrzeugs defekt. Außerdem fand der Käufer am Fahrzeug Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen, beispielsweise an den Einstiegshilfen. Der Kläger forderte daher eine Minderung des Kaufpreises um 5.000 € und eine entsprechende Rückzahlung dieses Teils des Kaufpreises.
Der Hersteller ersetzte zwar die defekte Batterie, lehnte aber die geforderte Minderung ab. Der Verkäufer begründete dies damit, dass das Fahrzeug erstmals auf den Käufer zugelassen wurde, es sich nicht um einen Vorführwagen gehandelt hat und keine Probefahrten mit dem Fahrzeug gemacht wurden.
Definition Neuwagen
Ein Neuwagen ist nur dann fabrikneu, wenn:
- nicht mehr als 12 Monate zwischen Produktion und Kauf vergangen sind,
- das Fahrzeug keine Standschäden hat (auch wenn sie behoben sind), also keine durch eine lange Standzeit bedingten Mängel (egal ob durch Standzeiten beim Hersteller oder beim Händler),
- das Fahrzeug unbenutzt ist
- das Modell noch unverändert hergestellt wird.
Eine Zulassung für 5 Tage ohne Nutzung im Straßenverkehr schadet nicht.
Höhe der Minderung des Kaufpreises von Ausstellungsfahrzeug – Schätzung durch Gericht
Bei der Höhe der Minderung machten die Richter aber Abstriche und sprachen dem Käufer nur 1.000 € statt der geforderten 5.000 € zu. Diesen Teil des Kaufpreises muss der Hersteller und Verkäufer nun an den Käufer zurückerstatten. Maßgebend ist das Verhältnis zwischen dem Wert des Kaufgegenstandes ohne Mängel und dem Wert mit Mängeln. Entsprechend ist der Kaufpreis zu mindern. Im konkreten Fall wollte der Käufer auf der einen Seite bewusst einen „Neuwagen“ erwerben, auf der anderen Seite hatte der Verkäufer dem Käufer beim Kaufpreis bereits einen erheblichen Abschlag vom Listenpreis gewährt.
Urteil Amtsgericht München vom 17.12.2021, Az.: 271 C 8389/21: „unbenutzt“ – jede Nutzung des Fahrzeugs relevant (nicht nur Zulassung oder Nutzung im Straßenverkehr)
Das Gericht entschied nun grundsätzlich zu Gunsten des Käufers. Ein Fahrzeug ist nicht nur dann nicht mehr unbenutzt, wenn es zugelassen oder im Straßenverkehr gefahren worden ist, sondern auch bei einer anderweitigen Nutzung. Da ein Ausstellungsfahrzeug von Besuchern besichtigt wird, liegt eine solche anderweitige Nutzung vor. Eine unbestimmte Anzahl von Besuchern fasst das Fahrzeug außen und innen an, öffnet und schließt Türen und Kofferraum und benutzt und verstellt die Sitze beim Probesitzen. Somit wird das Fahrzeug wiederholt genutzt, ist damit nicht mehr ungenutzt und in der Folge kein Neufahrzeug mehr.
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