Fristlose Kündigung durch Arbeitgeber – Umstände des Einzelfalles

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Fristlose außerordentliche Kündigung durch Arbeitgeber

Eine fristlose Kündigung, also eine Kündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, ist nach dem Gesetz nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Es muss eine gravierende Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer vorliegen, die dem Arbeitgeber das Abwarten der regulären Kündigungsfrist unzumutbar macht.

Dies ist insbesondere bei Straftaten (Arbeitszeitbetrug, Diebstahl, Beleidung, sexuelle Belästigung, Körperverletzung durch Tätlichkeit gegenüber Arbeitnehmern [Kollegen]oder Arbeitgeber) oder bei einer sonstigen erheblichen Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag (z.B. Krankmachen, also Vortäuschen Arbeitsunfähigkeit) der Fall.

Die Kündigung muss dann innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden. Wenn der Arbeitgeber erst noch die genauen Umstände ermitteln muss – also z.B. Zeugen des Vorfalls befragen muss – läuft die Frist erst nach Abschluss der Ermittlungen. Der Arbeitgeber muss die Ermittlungen aber zügig durchführen, darf sich also nicht zu lange Zeit lassen.

Verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung durch Arbeitgeber

Eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung durch den Arbeitgeber ist wirksam, wenn der gekündigte Arbeitnehmer erheblich gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen hat. Die Kündigung muss zudem verhältnismäßig sein, es darf also kein milderes Mittel wie etwa eine Abmahnung geben. Zudem muss immer eine Interessenabwägung erfolgen.

Fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung

Da sich ein Arbeitgeber nie sicher sein kann, ob eine fristlose Kündigung vor Gericht hält, kündigt er im Regelfall zusätzlich hilfsweise fristgerecht verhaltensbedingt.

Kündigung, Klage, Frist, Vergleich oder Urteil Arbeitsgericht

Nach der Kündigung durch den Arbeitgeber erhebt der Arbeitnehmer im Regelfall Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht – dafür hat er 3 Wochen Zeit.

Entweder Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich dann vor Gericht und es kommt ein Vergleich zustande – meist im Gütetermin, seltener im späteren Kammertermin – oder das Gericht muss durch ein Urteil entscheiden.

Ist die Kündigung wirksam, weist es die Klage ab. Ist die Kündigung unwirksam, stellt es fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde. Auf Antrag des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber zudem zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt werden.

Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 05.09.2022, Az.: 22 Ca 1647/22: Kündigung unwirksam

Ein Radiosender hatte einem Redakteur fristlos, hilfsweise fristgemäß verhaltensbedingt wegen antisemitischer Äußerungen gekündigt.

Die Äußerungen des Redakteurs fielen zu einer Zeit, als er noch freiberuflich für den Sender tätig war – vor Beginn des Arbeitsverhältnisses. Zudem hatte sich der Redakteur in der Zwischenzeit öffentlich durch eine Erklärung von seinen Äußerungen distanziert.

Der Redakteur erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und bekam nun vor Gericht Recht. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, erklärte die Kündigung für unwirksam und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Arbeitgebers beendet wurde. Außerdem wurde der Sender zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt.

Das Gericht bestätigte zwar, dass antisemitische Äußerungen grundsätzlich ein Grund für eine fristlose außerordentliche Kündigung sein können, da eine Verletzung von Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber vorliegen kann. Im entschiedenen Fall fielen die Äußerungen aber vor Beginn des Arbeitsverhältnisses. Daher konnte keine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag durch den Arbeitnehmer vorliegen, was aber Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist.

Interessenabwägung und Unzumutbarkeit Fortsetzung Arbeitsverhältnis

Nötig ist nach Ansicht der Richter immer eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Zusammenhangs der Äußerungen.

Hier fielen die Äußerungen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses und der Arbeitnehmer hatte sich von diesen Äußerungen öffentlich distanziert. Es ist daher nach Auffassung des Gerichts künftig nicht mit einem weiteren Fehlverhalten des Arbeitnehmers (sog. negative Prognose) zu rechnen. Eine vorherige Abmahnung gab es nicht. Daher ergab die Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfrist und des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.

Abgesehen davon hatte der Arbeitgeber die Frist von 2 Wochen für den Ausspruch einer fristlosen außerordentlichen Kündigung ab Kenntnis des Kündigungsgrundes nicht eingehalten.

Berufung des Arbeitgebers zum Landesarbeitsgericht

Da der Arbeitgeber gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt hat, muss nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg über den Fall entscheiden.

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u.v.m.