Zugang einer Kündigung: wann gilt Brief/Einschreiben als zugestellt

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Zugang einer Kündigung: Wann gilt ein Brief bzw. ein Einschreiben als zugestellt? Wir klären in diesem Beitrag auf.

Beginn Kündigungsfrist ab Zugang Kündigungsschreiben

Der Arbeitgeber wollte einem Arbeitnehmer kündigen. Im Arbeitsvertrag war eine Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Quartalsende vereinbart. Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 28.09.2021 fristgerecht zum 31.12.2021. Das Kündigungsschreiben musste dem Arbeitnehmer also spätestens am 30.09.2021 zugehen, um die 3-monatige Kündigungsfrist einzuhalten. Der Arbeitgeber gab das Kündigungsschreiben als Einwurf-Einschreiben bei der Post auf. Laut Auslieferungsbeleg wurde das Schreiben am 30.09.2021 in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Er machte geltend, das Kündigungsschreiben erst Anfang Oktober erhalten zu haben mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis erst ein Quartal später und damit zum 31.03.2022 endet.

Kündigungsfristen beim Arbeitsvertrag

Nach dem Gesetz beträgt die Kündigungsfrist während der Probezeit (maximal 6 Monate) 2 Wochen, danach 4 Wochen (nicht 1 Monat sondern 28 Tage!) zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

Für Kündigungen durch den Arbeitgeber verlängert sich die Kündigungsfrist mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses auf einen Monat zum Ende eines Kalendermonats (ab 2 Jahren Beschäftigungsdauer) bis zu 7 Monaten zum Ende eines Kalendermonats (ab 20 Jahren Beschäftigungsdauer). Im Arbeitsverhältnis können längere Fristen vereinbart werden und eine Anwendung der je nach Beschäftigungsdauer verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen auch auf Kündigungen durch den Arbeitnehmer. Für Kündigungen durch den Arbeitnehmer darf aber keine längere Kündigungsfrist vereinbart werden als für Kündigungen durch den Arbeitgeber.

Zugang von Willenserklärungen wie Kündigung, Widerruf, Rücktritt vom Vertrag oder Anfechtung

Ist der Vertragspartner bei Abgabe der Willenserklärung anwesend, geht die Willenserklärung sofort zu. Dies ist z.B. der Fall bei einer persönlichen Übergabe des Schreibens an den anderen Vertragspartner oder einem gemeinsamen Telefonat. Ist der Vertragspartner nicht anwesend, etwa bei Versendung des Schreibens per E-Mail oder Post (einfacher Brief oder Einschreiben), geht die Erklärung erst zu, wenn sie so in dessen Machtbereich (z.B. Briefkasten) gelangt, dass der andere unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann.

Urteil BAG vom 20.06.2024, Az.: 2 AZR 213/23: Anscheinsbeweis für Einwurf zu üblichen Zeiten und Leerung Briefkasten durch Arbeitnehmer nach ortsüblicher Zustellzeit Postbote

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht gaben dem Arbeitgeber Recht und wiesen die Klage des Arbeitnehmers ab.

Das Gericht sah einen Anscheinsbeweis dafür, dass der Brief zu den üblichen Arbeitszeiten des Postboten in den Briefkasten eingeworfen wurde. Das Kündigungsschreiben geht nach dem Einwerfen in den Briefkasten zu, wenn nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Leerung des Briefkastens durch den Arbeitnehmer zu rechnen ist. Dies ist nach allgemeiner Lebenserfahrung am selben Tag nach den ortsüblichen Zustellzeiten des Postboten am Wohnort des Arbeitnehmers. Das Gericht ging daher davon aus, dass der Arbeitnehmer noch am 30.09.2021 vom Kündigungsschreiben Kenntnis nehmen konnte.

Das Gericht wies in seinem Urteil aber ausdrücklich darauf hin, dass ein Anscheinsbeweis erschüttert werden kann. Dafür müssen aber atypische Geschehensabläufe dargelegt und im Bestreitensfalle bewiesen werden. Dies hat der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nicht getan. Er hat den Zugang des Kündigungsschreibens nur mit Nichtwissen bestritten, was zu wenig war.

Anscheinsbeweis und seine Erschütterung sowie Beweislastumkehr

Vor Gericht muss derjenige, den nach dem Gesetz die Beweislast trifft, das Vorliegen der entsprechenden Tatsachen beweisen (z.B. durch Urkunden, Zeugen, Sachverständige, Inaugenscheinnahme des Gegenstandes). Grundsätzlich muss jede Prozesspartei die Voraussetzungen der für sie günstigen gesetzlichen Vorschrift beweisen.

Bei der Beweislastumkehr muss dagegen die andere Prozesspartei das Vorliegen der Voraussetzungen beweisen. So wird beispielsweise bei einem Verbrauchervertrag bei einem Mangel der Kaufsache, der sich innerhalb von einem Jahr seit Erhalt der Ware zeigt, vermutet, dass der Mangel bereits bei Erhalt der Ware vorlag. Der Händler muss daher das Gegenteil beweisen, also z.B. dass der Kunde die Ware beschädigt, unsachgemäß bedient oder gegen Vorgaben bzw. Warnhinweise in der Bedienungsanleitung verstoßen hat.

Der Anscheinsbeweis führt dagegen nicht zu einer Umkehr der Beweislast sondern erleichtert nur die Beweisführung. Voraussetzung ist, dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache bzw. einen bestimmten Ablauf schließen lässt. So besteht z.B. bei einem Auffahrunfall ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende den Unfall verschuldet hat, weil er zu schnell gefahren ist bzw. einen zu geringen Abstand zum Vordermann eingehalten hat. Kann der Auffahrende aber darlegen und ggf. beweisen, dass der Vordermann völlig unerwartet und ohne Anlass stark abgebremst hat, ist der Anscheinsbeweis erschüttert.

Bestreiten von Tatsachen im Gerichtsverfahren: substantiiertes Bestreiten und Bestreiten mit Nichtwissen

Trägt eine Partei im Gerichtsprozess etwas zum Sachverhalt bzw. Geschehensablauf vor, muss die andere Partei dies substantiiert bestreiten, ansonsten gilt der Vortrag als unstreitig. Substantiiert bestreiten heißt, dass es nicht genügt zu sagen, dass der Sachverhalt bzw. Ablauf nicht so war wie von der anderen Partei vorgetragen bzw. geschildert. Vielmehr muss sie detailliert erklären, wie der Sachverhalt bzw. Ablauf aus ihrer Sicht war.

Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur möglich, wenn die Partei keine Kenntnis von den Vorgängen hat, weil es sich z.B. um interne Abläufe beim Arbeitgeber handelt. So kann der Arbeitnehmer beispielsweise bei einer Kündigung die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit Nichtwissen bestreiten, da er nicht wissen kann, ob der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört hat oder nicht.

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u.v.m.