Wie lange kann ein Arbeitnehmer seinen Urlaub noch nehmen bzw. wann verfällt er? Wir erklären was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten – vom Kalenderjahr als Urlaubsjahr über den Übertragungszeitraum, den Verfall von Urlaub, der Verjährung von Urlaub, Besonderheiten bei Langzeiterkrankten bis zu den Hinweispflichten für Arbeitgeber und den Folgen einer Nichterfüllung dieser Pflichten.
Konkret finden Sie in diesem Artikel:
Regelung im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)
Nach dem Bundesurlaubsgesetz muss der Jahresurlaub im laufenden Kalenderjahr, also bis spätestens 31.12. des jeweiligen Jahres, genommen werden. Geschieht dies nicht, verfällt der restliche Urlaub.
Übertragung von Urlaub ins Folgejahr
Eine Übertragung von Urlaub ins Folgejahr erfolgt, wenn der Urlaub im laufenden Jahr aus dringenden betrieblichen Gründen oder dringenden in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht genommen werden kann.
In diesem Fall wird der Urlaub bei Vorliegen der Voraussetzungen automatisch ins Folgejahr übertragen. Der Arbeitnehmer muss also keinen Antrag auf Übertragung stellen. Im Falle der Übertragung muss der restliche Urlaub in den ersten 3 Monaten des Folgejahres, also bis spätestens 31.03. des Folgejahres, genommen werden, sonst verfällt er.
Dringende betriebliche Gründe:
Liegen beispielsweise vor bei
- einer Urlaubssperre wegen einem wichtigen Auftrag bzw. in der Hochsaison
- einer Urlaussperre wegen krankheitsbedingtem Ausfall von Kollegen
Dringende in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe:
Liegen beispielsweise vor bei
- krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (AU)
- Erkrankung des Ehepartners, mit dem zusammen der Urlaub genommen werden sollte
Übertragung von Urlaub bei Wechsel zu neuem Arbeitgeber
Wechselt ein Arbeitnehmer die Stelle, kann er den beim alten Arbeitgeber nicht genommenen Urlaub beim neuen Arbeitgeber nehmen. Damit Urlaub nicht doppelt genommen wird, muss der alte Arbeitgeber in einer sog. Urlaubsbescheinigung bestätigen, wie viel Urlaub der Arbeitnehmer bereits genommen hat bzw. wie viel Urlaub in Geld abgegolten worden ist.
Sonderregelungen bei Mutterschutz und Elternzeit
Kann der Arbeitnehmer wegen Mutterschutz bzw. Elternzeit Urlaub nicht nehmen, verfällt dieser Urlaub nicht. Er kann nach der Rückkehr aus der Elternzeit im laufenden Urlaubsjahr oder im folgenden Urlaubsjahr genommen werden.
Urteil BAG vom 19. Februar 2019, Az.: 9 AZR 541/15: Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers (Aufforderungspflicht und Hinweispflicht)
Nach einer Entscheidung des EuGH hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung an das EU-Recht angepasst. Arbeitgeber müssen nun jeden Arbeitnehmer rechtzeitig:
- über den konkreten Urlaubsanspruch (also den zum Zeitpunkt der Belehrung noch bestehenden Urlaubsanspruch) belehren und darauf hinweisen,
- dass der Urlaub bis zum 31. Dezember des Jahres genommen werden muss und ansonsten mit Ablauf des Urlaubsjahres verfällt sowie
- den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub zu nehmen
(sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit).
Aus Beweisgründen sollte die Belehrung zumindest in Textform erfolgen. Sie sollte zudem so früh wie möglich im laufenden Kalenderjahr erfolgen. Nur wenn der Arbeitgeber diesen Obliegenheiten nachkommt, den Arbeitnehmer damit in die Lage versetzt, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und der Arbeitnehmer dennoch den Urlaub aus freien Stücken nicht nimmt, verfällt der Urlaubsanspruch am Jahresende. Zuvor war es ständige Rechtsprechung, dass der Urlaub verfällt, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag eingereicht und der Arbeitgeber deshalb keinen Urlaub gewährt hat.
Urlaub und Verfall von Urlaub bei Krankheit
In dem Zeitraum, in dem ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist, kann er keinen Urlaub nehmen. Es stellt sich daher die Frage, was mit dem Urlaub bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern passiert, also bei Arbeitnehmern, die monatelang oder gar jahrelang durchgängig krankgeschrieben sind.
Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung
Da ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer seinen Urlaub weder im laufenden Kalenderjahr noch im Übertragungszeitraum nehmen kann, verfallen seine Urlaubsansprüche grundsätzlich nicht. Dies würde bedeuten, dass ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer jedes Jahr seinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt, keinerlei Urlaub nehmen kann und sich somit immer mehr Urlaubsansprüche ansammeln. Der EuGH hat daher eine Obergrenze für zulässig erachtet. In der Folge hat das BAG entschieden, dass Urlaubsansprüche spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs (also mit Ablauf des 31.3. des zweiten Folgejahres) verfallen.
Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung bei Verstoß des Arbeitgebers gegen Mitwirkungsobliegenheiten – Urteil BAG vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 245/19
Ist der Arbeitgeber bei einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer seinen Mitwirkungspflichten (Aufforderungs- und Hinweispflicht) nicht nachgekommen, verfällt der Urlaub aus dem Jahr, in dem der Arbeitnehmer noch gearbeitet hat (bevor er erkrankt ist) und daher Urlaub hätte nehmen können, nicht nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten. So hat dies nun der EuGH (Vorabentscheidung vom 22.09.2022, Az.: C-518/20 und C-727/20 – Fraport auf Vorlage des BAG zum Fall Az.: 9 AZR 401/19) und in der Folge das BAG (Urteil v. 20.12.2022 – 9 AZR 245/19) entschieden. In den Folgejahren, in denen der Arbeitnehmer durchgängig während des Urlaubsjahrs und des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank war, bleibt es dagegen auch bei einem Verstoß gegen die Mitwirkungsobliegenheiten beim Verfall der Urlaubsansprüche nach 15 Monaten, denn in diesen Jahren hätte eine Aufforderung und ein Hinweis des Arbeitgebers nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs beitragen können, da der Arbeitnehmer wegen seiner durchgängigen Erkrankung keinen Urlaub nehmen konnte.
Verjährung von Urlaubsansprüchen und Urlaubsabgeltungsansprüchen
Urlaubsansprüche können nicht nur verfallen, sondern auch verjähren. Es gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Die Verjährungsfrist beginnt jedoch nicht mit dem Ende des Urlaubsjahres sondern erst mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachkommt. Hat der Arbeitgeber dies in einem Jahr versäumt, kann er dies aber nachholen und die Verjährungsfrist damit – verspätet – in Gang setzen.
Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Geld um. In diesem Fall beginnt die Verjährungsfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers kommt es dann nicht mehr an, da der Urlaub nicht mehr genommen werden kann.
Gesetzliche Regelungen unmittelbar nur für gesetzlichen Mindesturlaub
ie gesetzlichen Regelungen gelten unmittelbar nur für den gesetzlichen Mindesturlaub von 4 Wochen pro Kalenderjahr. Gewährt der Arbeitgeber darüber hinaus weiteren Urlaub (sog. Zusatzurlaub), können im Arbeitsvertrag abweichende Regelungen vereinbart werden. Dies gilt etwa für die Übertragung von Urlaub auf das Folgejahr und für den Verfall von Urlaub.
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u.v.m.