Reduzierung der Miete von Geschäftsräumen wg. Corona-Lockdown: Frage des Einzelfalls

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Reduzierung der Miete von Geschäftsräumen wg. Corona-Lockdown: Frage des Einzelfalls

In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, ob ein Mieter von Geschäftsräumen bei Corona-Lockdown Anspruch auf Reduzierung der Miete hat.

Keine Einnahmen aber Kosten Miete während Corona-Lockdown

Zu Beginn der Corona-Pandemie mussten im Frühjahr 2020 in Sachsen die Geschäfte für mehrere Wochen schließen. Betroffen von der entsprechenden Allgemeinverfügung war u.a. der Textil-Discounter KiK. Da ihm mangels Kunden die Einnahmen wegbrachen, zahlte KiK für die Zeit des Lockdowns keine Miete. Der Vermieter verlangte dagegen die volle Ladenmiete und klagte vor Gericht.

Urteile Gerichte untere Instanzen: volle Ladenmiete trotz Lockdown bzw. halbe Ladenmiete

Während das Landgericht Chemnitz KiK in der ersten Instanz zur Zahlung der vollen Miete verurteilt hatte, hatte das OLG Dresden entschieden, dass KiK nur rund die Hälfte der vereinbarten Miete zahlen muss.

Begründet hatte das OLG diese Entscheidung damit, dass eine sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen würde. Diese hätten weder Mieter noch Vermieter vorhersehen können. Es sei nicht zumutbar, dass nur der Mieter die Folgen tragen müsse. Vielmehr hätten beide Vertragspartner die Folgen gleichermaßen zu tragen.

Beide Parteien haben daraufhin gegen das Urteil des OLG Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.

BGH, Urt. v. 12.01.2022, Az.: XII ZR 8/21: Anspruch auf Reduzierung Miete u. Umfang Frage des Einzelfalls

Der BGH entschied nun, dass Mieter von Gewerberäumen einen Anspruch auf Anpassung der Miete für Zeiten eines Lockdowns haben können. Das Urteil des OLG Dresden mit einer generellen Kürzung auf die Hälfte war ihnen aber zu pauschal.

Störung der Geschäftsgrundlage u. Anspruch auf Anpassung (Reduzierung) Miete

Nach dem BGH kommt bei einer Geschäftsschließung aufgrund einer coronabedingten staatlichen Anordnung grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn sich die maßgeblichen Umstände nach Abschluss des Mietvertrages schwerwiegend geändert haben und Mieter und Vermieter den Mietvertrag so nicht geschlossen hätten, wenn sie dies – hier also die Corona-Pandemie und ihre Folgen – vorhergesehen hätten. Weitere Voraussetzung ist, dass dem betroffenen Vertragspartner das Festhalten am geschlossenen Vertrag nicht zumutbar ist. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung.

Im konkreten Fall habe der Mieter wegen umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht die erwarteten Gewinne machen können. Damit habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, das regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden könne.

Inzwischen ist im Gesetz auch geregelt, dass vermutet wird, dass sich die maßgeblichen Umstände nach Abschluss des Mietvertrages schwerwiegend geändert haben, wenn der Mieter die für seinen Betrieb gemieteten Räume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen nutzen kann.

Ob dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist, muss in jedem Einzelfall durch eine umfassende Abwägung geprüft werden. Dabei müssen sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigen werden. Eine pauschale Herabsetzung der Miete um die Hälfte kommt nicht in Betracht. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Nachteile, die dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind, aber auch finanzielle Vorteile wie staatliche Leistungen und Leistungen aus einer betrieblichen Versicherung. Relevant ist außerdem, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder zumindest hätte ergreifen können, um die Verluste zumindest zu reduzieren (z.B. Einrichtung Lieferservice, Click & Collect bzw. Online-Handel). Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist nach Ansicht der Richter nicht erforderlich. Auch die Interessen des Vermieters sind zu berücksichtigen.

Maßgebende Kriterien für Umfang Anpassung (Reduzierung) Miete

Nach Ansicht des BGH ist eine umfassende Prüfung aller Umstände des Einzelfalls nötig. Es müsste insbesondere berücksichtigt werden,

  • welche Umsatzeinbußen es in der konkreten Filiale gab,
  • ob es staatliche Hilfen gab und
  • ob es Versicherungsleistungen gab.

Sowohl Vermieter als auch Mieter sind durch die staatlichen Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie belastet. Keine Seite trifft dabei ein Verschulden und keine Seite hat dies bei Vertragsschluss vorhersehen können. Daher müssen die Folgen von beiden Vertragspartnern getragen werden. Eine generelle 50:50-Aufteilung der ursprünglich vereinbarten Miete ist aber zu pauschal.

Da das OLG Dresden die konkreten Umstände nicht geprüft hat, hat der BGH den Fall nicht rechtskräftig entschieden sondern den Fall zur weiteren Prüfung ans OLG Dresden zurückverwiesen. 

Verhältnis Anpassung Miete zu Mangel bzw. Mietminderung und Corona-Sonderregelung zu Einschränkung Kündigungsrecht Vermieter wegen Zahlungsverzug Mieter

Die Vorschriften zum Mietrecht (insb. zu Mängeln und Mietminderung) sowie die allgemeinen Regelungen zu Verträgen sind nach Ansicht des BGH trotz einer Sonderregelung im Gesetz zu Corona anwendbar. Im EGBGB wurde für die Zeit vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 geregelt, dass ein Vermieter das Mietverhältnis nicht allein aus dem Grund kündigen darf, dass ein Mieter im genannten Zeitraum die Miete nicht pünktlich bezahlt hat, sofern dies auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht. Diese Vorschrift bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Vermieters wegen Zahlungsverzugs des Mieters, enthält aber keine Regelung zur Höhe der zu zahlenden Miete.

Kein Mangel der Mietsache

Die staatliche Schließungsanordnung hat nach Ansicht des BGH nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands geführt. Daher hat der Mieter kein Recht zu einer Minderung der Miete. Ein Mangel liegt nur vor, wenn die Gebrauchseinschränkung unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts in Zusammenhang steht. Das ist hier aber nicht der Fall. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung regelt nur die Zulässigkeit von Publikumsverkehr, nicht aber die übrige Nutzung der Mieträume. Sie könnten weiter für den Online-Handel, als Lager und für die Buchhaltung genutzt werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem im konkreten Mietvertrag vereinbarten Mietzweck „Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Für den Mieter war erkennbar, dass der Vermieter damit keine entsprechende Nutzungsmöglichkeit garantieren wollte.

Folgen für künftige coronabedingte Einschränkungen gewerblich genutzter Mieträume

Zwar hat der BGH nun klargestellt, dass Mieter von gewerblich genutzten Räumen ein Recht auf Anpassung der Miete für Zeiten eines coronabedingten Lockdowns bzw. coronabedingter Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit haben können. In Bezug auf den Umfang der Reduzierung und die Höhe der zu zahlenden Miete hat das Gericht aber keine allgemeingültige Regelung getroffen und damit nicht für Rechtssicherheit gesorgt. Um langwierige Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen und mehrere Jahre wie in diesem Fall zu vermeiden, empfiehlt sich daher eine einvernehmliche Regelung. Mieter und Vermieter sollten sich zusammensetzen und eine Einigung anstreben, die beiden Seiten gerecht wird.

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