Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte

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Mindestlohn für ausländische Pflegekräfte

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in einem Grund­satz­ur­teil zur Be­zah­lung von aus­län­di­schen Pfle­ge­kräf­ten, die in deut­schen Haus­hal­ten tä­ti­g sind, entschieden, dass den ausländischen Arbeitnehmern sowohl für die Arbeitszeit als auch für Bereitschaftszeiten der gesetzliche Mindestlohn nach dem deutschen Mindestlohngesetz zusteht.

Sachverhalt: bulgarischer Arbeitsvertrag und Arbeit in Deutschland

Eine bulgarische Pflegekraft war bei einem bulgarischen Arbeitgeber beschäftigt. Der Arbeitsvertrag war in bulgarischer Sprache verfasst. Als Arbeitszeit waren 30 Stunden pro Woche von Montag bis Freitag vereinbart. Nachdem der bulgarische Arbeitgeber einen Dienstleistungsvertrag mit einer pflegebedürftigen Seniorin in Deutschland über eine 24-Stunden-Betreuung abgeschlossen hatte, wurde die Arbeitnehmerin in Berlin eingesetzt. Sie erhielt ein Gehalt von 950 € netto pro Monat und wohnte während des Einsatzes in Berlin in einem Zimmer im Haus der Seniorin.

Klage der Arbeitnehmerin auf gesetzlichen Mindestlohn

Die Arbeitnehmerin berief sich auf das deutsche Mindestlohngesetz und verlangte die Zahlung einer weiteren Vergütung. Sie machte geltend, dass sie rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag 7 Tage die Woche zur Verfügung stehen und bei Bedarf die Seniorin betreuen musste.

Argumente Arbeitgeber: Mindestlohn nur für vereinbarte Arbeitszeit

Der bulgarische Arbeitgeber war der Auffassung, dass der gesetzliche Mindestlohn nur für die im Arbeitsvertrag vereinbarten 30 Stunden pro Woche bezahlt werden muss. Ein Bereitschaftsdienst sei nicht vereinbart gewesen. Die Arbeitnehmerin hätte ihre Aufgaben in der vereinbarten Arbeitszeit erledigen können, wenn sie tatsächlich mehr gearbeitet haben sollte, sei dies nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt.

Urteil Landesarbeitsgericht

Anspruch auf Mindestlohn für Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst sowie Schätzung Arbeitszeit

Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und die tägliche Arbeitszeit einschließlich Bereitschaftsdienst auf 21 Stunden geschätzt. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden hat es nicht berücksichtigt, da diese Regelung nach Ansicht des Gerichts angesichts der mit der Seniorin vereinbarten 24-Stunden-Betreuung ein rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers darstellt.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 24.06.2021, Az.: 5 AZR 505/20

Anspruch auf Mindestlohn für Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst sowie Vorgaben für Schätzung Arbeitszeit

Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach dem deutschen Mindestlohngesetz auch für ausländische Arbeitgeber gelte, wenn sie Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden. Der Mindestlohn gelte sowohl für die Arbeitszeit als auch für Bereitschaftsarbeit (Zeiten von Bereitschaftsdienst). Der Mindestlohn sei eine sogenannte Eingriffsnorm, also eine zwingende Vorschrift, die nach der europäischen Rom I-Verordnung für alle Arbeitsverhältnisse in Deutschland gelte, auch wenn auf das Arbeitsverhältnis ansonsten ausländisches Recht anzuwenden ist. Das Landesarbeitsgericht habe aber die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche, auf die der Arbeitgeber verwiesen hat, zu Unrecht nicht berücksichtigt. Auch die Annahme von 3 Stunden Freizeit pro Tag sei fehlerhaft. Daher hat es das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Fall dorthin zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht muss nun den Sachverhalt weiter aufklären und den Vortrag beider Parteien umfassen würdigen, um festzustellen, wie viele Stunden pro Woche die Arbeitnehmerin gearbeitet hat, Bereitschaftsdienst geleistet hat und Freizeit gehabt hat. An der vereinbarten 30-Stunden-Woche hatte aber auch das Bundesarbeitsgericht erhebliche Zweifel.

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u.v.m.