Verhaltensbedingte Kündigung von Professorin wegen Plagiats

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Verhaltensbedingte Kündigung von Professorin wegen Plagiats zulässig – auch ohne vorherige Abmahnung und Anhörung. Wir erklären die Details.

Urteil Arbeitsgericht Bonn vom 24.04.2024, Az.: 2 Ca 345/23: verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung u. Anhörung Arbeitnehmer

Im Jahr 2021 wurde eine Politikwissenschaftlerin als Professorin bei einer Universität eingestellt. In ihrer Bewerbung hatte sie eine bestimmte Publikation vorgelegt. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Teile dieser Publikation und zweier anderer Publikationen Plagiate enthielten, kündigte die Universität der Professorin 2 Jahre später. Eine vorherige Abmahnung gab es nicht. Auch wurde die Professorin vor Ausspruch der Kündigung nicht zu den Vorwürfen angehört bzw. hatten nicht die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Daher klagte sie vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung.

Verhaltensbedingte Kündigung wegen Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten

Die Kündigung wurde vom Arbeitgeber darauf gestützt, dass insgesamt drei Publikationen der Arbeitnehmerin nicht den Grundsätzen der guten wissenschaftlichen Praxis entsprochen hatten, also nicht die üblichen wissenschaftlichen Anforderungen an solche Arbeiten erfüllten. An mehreren Stellen waren Plagiate enthalten, d.h. von anderen Autoren übernommene Textpassagen ohne Quellenangabe.

Die Professorin bestritt dies zwar nicht grundsätzlich, wandte aber ein, dass es sich bei den Publikationen um sog. populärwissenschaftliche Literatur gehandelt hatte. Die Publikationen hatten sich nicht an Wissenschaftler gerichtet sondern an interessierte Laien. Daher war es nicht um wissenschaftliche Genauigkeit gegangen, sondern darum, die behandelten wissenschaftlichen Themen einem möglichst großen Personenkreis verständlich und unterhaltend zu vermitteln. Außerdem ging es bei den beanstandeten Stellen nur um zahlenmäßig wenige Zitierfehler.

Darüber hinaus beanstandete die Professorin, dass sie im Rahmen der Untersuchung der Vorwürfe durch die Universität nicht angehört worden war bzw. nicht ausreichend die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Vorwürfen hatte.

Im Übrigen war die Kündigung nach Ansicht der Arbeitnehmerin unverhältnismäßig. Der Arbeitgeber hätte als milderes Mittel eine Abmahnung aussprechen müssen statt gleich zu kündigen.

Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht. Zumindest bei der Publikation, die die Arbeitnehmerin im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für die Professorenstelle als zentralen Bestandteil ihrer Bewerbung vorgelegt hatte, musste sie nach Ansicht der Richter die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis einhalten. In einem Bewerbungsverfahren für eine Stelle in der Wissenschaft enthält die Vorlage einer Publikation laut den Richtern automatisch die Erklärung, dass die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis eingehalten wurden. Dies hat die Arbeitnehmerin bei ihrer Arbeit aber vorsätzlich nicht getan. Damit lag eine wesentliche Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten vor.

Sofern der Arbeitgeber bei den Ermittlungen in Bezug auf das vorgeworfene wissenschaftliche Fehlverhalten Fehler gemacht hat, führten diese nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Kündigung. Da es um eine schwere Pflichtverletzung im Kernbereich der Pflichten einer Professorin ging (korrektes wissenschaftliches Arbeiten), wäre eine Abmahnung eine zu geringe Sanktion gewesen und kam daher nicht als milderes Mittel in Betracht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Arbeitnehmerin kann also noch Berufung einlegen. In diesem Fall müsste sich das Landesarbeitsgericht Köln mit dem Fall beschäftigen.

Kündigungsgründe bei Arbeitnehmern mit Kündigungsschutz

Hat ein Arbeitnehmer Kündigungsschutz, gibt es für den Arbeitgeber nur drei mögliche Kündigungsgründe:

  • verhaltensbedingte Kündigung (bei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers, Voraussetzung ist meist eine vorherige Abmahnung)
  • personenbedingte Kündigung, wozu auch eine krankheitsbedingte Kündigung gehört (z.B. Langzeiterkrankung, häufige Kurzerkrankungen, Verlust Führerschein)
  • betriebsbedingte Kündigung  (Wegfall Arbeitsplätze, Sozialauswahl nötig)

Kündigungen aus anderen Gründen sind unzulässig und damit unwirksam.

Besteht kein Kündigungsschutz, benötigt der Arbeitgeber keinen besonderen Kündigungsgrund. Die Kündigung darf nur nicht willkürlich oder missbräuchlich sein (z.B. Kündigung weil der Arbeitnehmer ihm zustehende Rechte geltend macht).

Allgemeiner Kündigungsschutz und besonderer Kündigungsschutz

Ein Arbeitnehmer hat allgemeinen Kündigungsschutz, wenn

  • der Betrieb (nicht das Unternehmen oder der Konzern) mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei Teilzeitkräfte anteilig zählen, und
  • er länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt ist

Neben dem allgemeinen Kündigungsschutz gibt es noch bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. Schwangerschaft, Elternzeit, Schwerbehinderung, Betriebsratstätigkeit) den besonderen Kündigungsschutz.

Frist von 3 Wochen für Kündigungsschutzklage

Hält ein Arbeitnehmer eine Kündigung für unwirksam, muss er innerhalb von 3 Wochen Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben. Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung als wirksam (auch wenn sie es ursprünglich nicht war). Sofern es bei Gericht im Gütetermin oder später im Kammertermin keine Einigung auf einen Vergleich gibt, entscheidet das Gericht in seinem Urteil, ob die Kündigung wirksam war (dann ist das Arbeitsverhältnis beendet) oder unwirksam war (dann muss der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden und erhält das Gehalt rückwirkend – ggf. abzüglich des in der Zwischenzeit bezogenen Arbeitslosengeldes – nachbezahlt). Kommt es zu einem Vergleich, wird meist das Arbeitsverhältnis beendet, der Arbeitnehmer erhält aber eine Abfindung und ein gutes Zeugnis.

Beispiele für Gründe einer verhaltensbedingten Kündigung

Als Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung kommen insbesondere in Betracht:

  • unentschuldigtes Fehlen
  • wiederholtes Zuspätkommen
  • private Nutzung des Internets trotz Verbot (z.B. privates Surfen im Internet am Arbeitsplatz)
  • Arbeitszeitbetrug durch falsche Zeiterfassung bzw. Manipulation der Arbeitszeiterfassungsgeräte (Stechuhr, elektronische Zeiterfassung)
  • Krankfeiern (vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit)
  • eigenmächtiger Urlaubsantritt
  • Beleidigung von Kollegen oder Vorgesetzten
  • Tätlichkeiten
  • Straftaten (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Körperverletzung, Bestechlichkeit)
  • Schlechtleistung (sog. Low Performer)

Bei einer besonders schweren Pflichtverletzung kommt auch eine fristlose Kündigung in Betracht.

Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • erheblicher Verstoß gegen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten
  • Verstoß war rechts­wid­rig (kein Rechtfertigungsgrund) und schuldhaft (vorsätzlich oder zumindest fahrlässig)
  • Kündi­gung ist verhält­nismäßig, d.h. es gibt kein mil­de­res Mit­tel als Reaktion auf die Pflichtverletzung als die Kündi­gung (z.B. Abmahnung oder Versetzung auf anderen Arbeitsplatz)
  • Interessenabwägung zwischen In­ter­es­sen Arbeitnehmer (Fortsetzung Arbeitsverhältnis) und Arbeitgeber (Be­en­di­gung Ar­beits­verhält­nis) fällt zugunsten Arbeitgeber aus

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u.v.m.