Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel
Wenn ein Arbeitnehmer eine längere und teure Fortbildung, Qualifizierungsmaßnahme oder Weiterbildung machen will und diese dem Arbeitgeber nutzt, ist der Arbeitgeber oft bereit, die Kosten für die Fortbildung ganz oder teilweise zu übernehmen. Zu den übernommenen Kosten können die Kursgebühren, Prüfungsgebühren, Fahrtkosten, Übernachtungskosten und eine bezahlte Freistellung für die Teilnahme gehören. Im Gegenzug muss sich der Arbeitnehmer im Regelfall verpflichten, für eine bestimmte Zeitspanne beim Arbeitgeber zu bleiben (sog. Bindungsdauer). Scheidet er vor Ablauf der Bindungsdauer aus, muss er die Kosten der Fortbildung ganz oder zumindest teilweise zurückzahlen. Für jeden Monat der Beschäftigung beim Arbeitgeber nach Abschluss der Fortbildung reduziert sich der zurückzuzahlende Betrag anteilig – bei einer Bindungsdauer von 12 Monaten um 1/12 pro Monat, bei einer Bindungsdauer von 24 Monaten um 1/24 pro Monat, etc.
Urteil Bundesarbeitsgericht vom 01.03.2022, Az.: 9 AZR 260/21: Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarung unwirksam
Das BAG hat nun eine solche Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung für unwirksam erklärt. Nach dieser Klausel musste der Arbeitnehmer die Kosten der Fortbildung u.a. dann zurückzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 6 Monaten nach Ende der Fortbildung selbst durch Kündigung beendet. Auf den Grund der Kündigung durch den Arbeitnehmer kam es nicht an. Dies bemängelten die Richter.
Unwirksame Regelung bei Verstoß gegen AGB-Recht: unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers
Eine Reha-Klinik hatte einen Arbeitnehmer auf Rückzahlung von anteiligen Fortbildungskosten verklagt. Das monatliche Bruttogehalt des Pflegers betrug 2.950€. Der Arbeitgeber verpflichtete sich in der im Februar zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Fortbildungsvereinbarung, die Kosten von 4.090€ für eine Fortbildung zum Fachtherapeuten (Dauer von Juni bis Dezember) zu übernehmen. Dieser Betrag setzte sich aus Kursgebühren von 1.930€ und einer bezahlten Freistellung an 18 Arbeitstagen (entsprach einem Gehalt von 2.160 €) zusammen. Der Arbeitnehmer verpflichtete sich, die vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten zurückzuzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis selbst durch Kündigung beendet. Pro Beschäftigungsmonat sollten ihm 1/6 des Betrags erlassen werden, so dass er bei einer Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bis mindestens 6 Monate nach Abschluss der Fortbildung keine Kosten mehr hätte zurückzahlen müssen. Der Arbeitnehmer kündigte aber zu Ende Januar des Folgejahres, war also nach Abschluss der Fortbildung nur noch rund 2 Monate beim Arbeitgeber beschäftigt. Daraufhin forderte der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Rückzahlung der anteiligen Kosten von 2.730€. Da der Arbeitnehmer dies ablehnte, erhob der Arbeitgeber Klage vor Gericht.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage des Arbeitgebers ab. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte diese Entscheidungen nun.
Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch zu weitgehende Rückzahlungsklausel
Nach Ansicht der Richter führt die Rückzahlungsklausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers, da der Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt wird. Daher ist die Klausel unwirksam. So besteht eine Rückzahlungspflicht nach dieser Klausel auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen kündigt. Das Risiko, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers nicht auszahlt, weil der Arbeitnehmer unverschuldet dauerhaft seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, gehört aber zum unternehmerischen Risiko und ist daher allein vom Arbeitgeber zu tragen. Zulässig wäre es daher wohl gewesen, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildungskosten hätte zurückzahlen müssen, wenn er zu einem anderen Arbeitgeber wechselt, da er dort – aufgrund der besseren Qualifikation nach der Fortbildung – ein höheres Gehalt bekommt. In diesem Fall wäre es legitim gewesen, dass der Arbeitgeber die übernommenen Fortbildungskosten zurückfordert, da von der Fortbildung nun allein der Arbeitnehmer und der neue Arbeitgeber profitieren.
Keine Reduzierung einer zu weitgehenden Rückzahlungsklausel auf eine zulässige Regelung
Im AGB-Recht ist es generell so, dass eine Klausel, die auch nur geringfügig zu weit geht, unwirksam ist. Schießt die Regelung also nur gering über das Ziel hinaus, fällt sie komplett weg und es gilt das, was im Gesetz steht. Da es aber keine gesetzliche Regelung zur Erstattung von Fortbildungskosten durch den Arbeitnehmer gibt, wenn er kurz nach der Fortbildung beim Arbeitgeber ausscheidet, muss der Arbeitnehmer in diesem Fall gar nichts zurückzahlen.
Zulässige Rückzahlungsklausel in Fortbildungsvereinbarung
Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil nur über die Wirksamkeit der konkreten Rückzahlungsklausel entschieden. Das Urteil bedeutet somit nicht, dass Rückzahlungsklauseln in Fortbildungsvereinbarungen generell unwirksam sind. Vielmehr muss anhand der konkreten Umstände im Einzelfall beurteilt werden, ob die Regelung wirksam ist oder nicht. Maßgeblich sind dafür die Höhe der vom Arbeitgeber übernommenen Kosten, die Höhe des Bruttogehalts des Arbeitnehmers, die vereinbarte Bindungsdauer, die Transparenz der Regelung sowie die Fallkonstellationen, in denen der Arbeitnehmer die Kosten ganz oder teilweise zurückzahlen muss (Eigenkündigung Arbeitnehmer, Aufhebungsvertrag, betriebsbedingte / personenbedingte bzw. krankheitsbedingte Kündigung durch Arbeitgeber, fristlose außerordentliche bzw. verhaltensbedingte Kündigung durch Arbeitgeber).
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u.v.m.