Pauschalreise und Corona — Wer ab Mitte 2020 eine Reise gebucht hat, tat dies unter dem Eindruck von Corona. Corona war also kein überraschendes Ereignis mehr wie noch bis März 2020. Es stellt sich daher die Frage, ob eine kostenlose Stornierung möglich ist, wenn die Inzidenzen am Urlaubsort steigen, das Urlaubsland zum Hochrisikogebiet oder gar Virusvariantengebiet wird, eine Quarantäne droht oder eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ausgesprochen wird.
Rücktritt von Reise und Entschädigung Reiseveranstalter bei Pauschalreisen nach dem Gesetz
Nach § 651 h BGB kann der Reiseveranstalter bei einem Rücktritt des Kunden von der Reise grundsätzlich eine Entschädigung (Stornogebühr) verlangen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Anreise erheblich beeinträchtigen. Solche unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstände liegen vor, wenn sie nicht der Kontrolle des Kunden unterliegen und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.
Sachverhalt: nach Buchung der Pauschalreise starker Anstieg der Inzidenz und Reisewarnung
Der Kunde buchte im Juni 2020 eine Mittelmeerkreuzfahrt für den Zeitraum Ende November bis Anfang Dezember 2020. Anfang November wollte der Kunde die Reise aufgrund des mittlerweile erhöhten Infektionsgeschehens in Italien stornieren. Das Reisebüro lehnte eine kostenlose Stornierung der Pauschalreise aber ab, da die Reise während der Corona-Pandemie gebucht worden ist und der Kunde damit ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Buchung in Kauf genommen hat. Zudem war im Herbst mit einem Anstieg der Infektionszahlen zu rechnen. Der Kunde erklärte trotzdem den Rücktritt von der Reise. Daraufhin stellte das Reisebüro Stornogebühren von 90 % des Reisepreises in Rechnung. Der Kunde klagte auf Rückzahlung des vollen Reisepreises.
Der Kunde argumentierte, dass Italien ab Mitte November als Risikogebiet eingestuft wurde, das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausgesprochen hatte und nach der Rückkehr eine mindestens 5-tägige Quarantäne nötig geworden wäre. Dies war zum Zeitpunkt der Buchung der Pauschalreise nicht vorhersehbar. Der Kunde gehörte als Diabetiker zudem zur Risikogruppe.
Urteil Amtsgericht München vom 15.06.2021, Az.: 113 C 3634/21– keine Stornokosten nur bei weiteren erheblichen Beeinträchtigungen zwischen Buchung u. Rücktritt von Reise
Das Amtsgericht München gab dem Kunden recht. Ob eine kostenlose Stornierung möglich ist oder der Reiseveranstalter einen Anspruch auf Entschädigung hat und Stornogebühren verlangen kann, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Maßgebend ist, ob aus Sicht eines Durchschnittsreisenden seit dem Zeitpunkt der Buchung bis zum Zeitpunkt des Rücktritts weitere erhebliche Beeinträchtigungen der Reise hinzugekommen sind. Denn die bei Buchung der Reise bereits bekannten Beeinträchtigung hat der Kunde durch die Buchung akzeptiert. Für weitere Beeinträchtigungen gilt dies aber ein. Ein bloßes Unwohlsein oder Angstgefühle des Reisenden wegen der Corona-Situation reichen jedoch nicht aus.
Im entschiedenen Fall war die 7-Tage-Inzidenz zwischen Buchung und Stornierung der Reise von 3,8 auf 345,8 gestiegen. Mit einem Anstieg der Infektionszahlen im Herbst war zwar zu rechnen, nicht aber mit einer solch massiven Verschlechterung der Lage.
Da inzwischen die Berufung des Reiseveranstalters zurückgewiesen wurde, ist das Urteil rechtskräftig.
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