In diesem Artikel klären wir Sie auf zu neuen Urteilen vom EuGH zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen:
Parship und Widerrufsrecht
Sachverhalt
Die Kundin hatte eine Premium-Mitgliedschaft bei der Online-Partnervermittlung Parship abgeschlossen. Der Vertrag sollte 1 Jahr dauern und 523,95 € kosten. Parship hatte die Kundin ordnungsgemäß über ihr 14-tägiges Widerrufsrecht belehrt. Die Kundin wollte aber, dass Parship sofort mit der Partnervermittlung beginnt, was Parship auch tat. Nach 4 Tagen überlegte sie es sich dann aber doch anders und widerrief den Vertrag. Parship weigerte sich daraufhin, den bereits bezahlten Jahres-Beitrag zurückzuerstatten, da schon Leistungen erbracht worden waren. Von den 523,95 € wollte Parship 392,96 € – also rund ¾ des Beitrags – behalten und der Kundin nur 130,99 € zurückerstatten.
Gesetzeslage
Nach dem Gesetz können Verbraucher einen online geschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Einen Grund müssen sie dafür nicht angeben. Im Falle des Widerrufs sind die bereits erhaltenen Leistungen bzw. Zahlungen unverzüglich zurückzugewähren.
Widerruft der Verbraucher einen Dienstleistungsvertrag, nachdem das Unternehmen auf Wunsch des Kunden bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist tätig geworden ist, muss der Kunde aber den Wert der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen bezahlen. Voraussetzung ist aber, dass der Verbraucher ausdrücklich das vorzeitige Tätigwerden verlangt und ordnungsgemäß vom Unternehmen informiert worden ist.
Argument von Parship bzgl. Widerrufsrecht
Parship argumentierte, dass die Kundin bereits einen 30-minütigen Persönlichkeitstest gemacht und ein 50-seitiges Persönlichkeitsgutachten erhalten habe. Außerdem habe sie schon erste Partnervorschläge bekommen. Somit wären die Leistungen mit dem größten Wert bereits erbracht worden.
Urteil EuGH, Az.: C-641/19
Der EuGH hat nun auf Vorlage des Amtsgerichts Hamburg entschieden, dass Parship den Beitrag nur zeitanteilig für 4 Tage Mitgliedschaft verlangen darf. Einen höheren Betrag hätte Parship nur dann verlangen können, wenn im Vertrag gesonderte Preise für die einzelnen Leistungen ausdrücklich genannt worden wären. Dann hätte Parship den Preis für die bereits erbrachten Leistungen verlangen können. Da im konkreten Fall aber nur ein Gesamtpreis für die Jahresmitgliedschaft genannt war, hatte Parship nur Anspruch auf die zeitanteilige Mitgliedsgebühr.
Einbauküche und Widerrufsrecht
Sachverhalt
Eine Verbraucherin hatte auf einer Messe eine Einbauküche gekauft. Es war vereinbart, dass einzelne Passstücke an die Wohnung der Kundin angepasst werden. Kurze Zeit später hat die Kundin den Kaufvertrag dann aber widerrufen und die Bezahlung des Kaufpreises verweigert.
Gesetzeslage
Nach deutschem Recht besteht beim Abschluss eines Kaufvertrages außerhalb von Geschäftsräumen (insb. Onlineshop, telefonische Bestellung, Haustürgeschäft) grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Eine Ausnahme besteht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB aber bei Waren, die individuell nach Kundenwunsch hergestellt werden.
Argumente von Kunden bzgl. Widerrufsrecht
Die Kundin war der Meinung, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts hier nicht greifen würde, weil zum Zeitpunkt des Widerrufs mit der Anfertigung der individuellen Passstücke noch gar nicht begonnen worden war. Außerdem entsprach dieser Teil des Kaufvertrages weniger als 5 % des Warenwertes der Küche.
Urteil EuGH v. 21.10.2020, Az.: C-529/19
Auf Vorlage des Amtsgerichts Potsdam entschied der EuGH, dass nach der EU-Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage eines Widerrufsrechts der Abschluss des Vertrages ist. Die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag müssten bei Vertragsschluss feststehen und könnten nicht vom Zeitpunkt abhängen, an dem die Kundin von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen will. Aus dem Wortlaut der Richtlinie würde sich ergeben, dass Ereignisse nach Abschluss des Kaufvertrages keinen Einfluss mehr auf den Vertrag hätten.
Nach Ansicht des EuGH ist zudem bereits fraglich, ob der Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden ist. Der Verkaufsstand eines Küchenstudios auf einer Messe könne durchaus als Geschäftsraum eingeordnet werden, so dass bereits aus diesem Grund kein Widerrufsrecht besteht.
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