Lohnanspruch auch fürs Duschen zur Arbeitszeit?

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Lohnanspruch auch fürs Duschen? Duschen kann wie Umkleiden und Waschen zur Arbeitszeit eines Arbeitnehmers gehören.

Sind Zeiten fürs Umkleiden, Waschen und Duschen Arbeitszeit und zu vergüten?

Ein Arbeitnehmer musste als Containermechaniker u.a. Abschleifarbeiten und Lackierarbeiten ausführen.

Der Arbeitgeber stellte seinen Arbeitnehmern für diese Tätigkeiten Schutzkleidung zur Verfügung, die die Arbeitnehmer während der Arbeit tragen und nach der Arbeit zur Reinigung abgeben mussten. Das Umkleiden erfolgte in einem Umkleideraum im Betrieb.

Der Arbeitnehmer machte sich bei der Arbeit trotz der Schutzkleidung oft sehr schmutzig und hat sich daher jeden Tag nach Arbeitsende in der Umkleide des Betriebes gewaschen und geduscht. Da der Arbeitgeber die Zeiten für den Weg von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück sowie die Zeiten fürs Umkleiden, Waschen und Duschen nicht als Arbeitszeit bezahlen wollte, klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht und verlangte die Vergütung für 55 Minuten pro Arbeitstag für einen Zeitraum von etwas über 5 Jahren und damit fast 26.000 €. Nachdem das Landesarbeitsgericht ihm lediglich einen Teil der geforderten Summe zusprach und von geschätzten 21 Minuten zusätzlicher Arbeitszeit pro Tag ausging, haben sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Urteil BAG vom 23.04.2024, Az.: 5 AZR 212/23: Tätigkeit entscheidend für Notwendigkeit Waschen bzw. Duschen nach Arbeit

Das Bundesarbeitsgericht hat nun die teilweise Verurteilung des Arbeitgebers aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob sich der Arbeitnehmer nach Arbeitsende waschen bzw. duschen musste und welcher Zeitraum dafür notwendig war.

Lohnanspruch: welche Tätigkeiten gehören zur Arbeitszeit und welche sind zu vergüten?

Zur Arbeitsleistung, die ein Arbeitnehmer gemäß den Regelungen im Arbeitsvertrag für den Arbeitgeber erbringen muss, gehört nicht nur die eigentliche Tätigkeit sondern jede Tätigkeit, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Erfasst wird damit quasi alles, was vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst ist.

Um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt es sich daher im Regelfall beim Zeitaufwand für das Umkleiden, wenn im Betrieb auf Anweisung des Arbeitgebers eine Dienstkleidung zu tragen ist. Die Wegezeit für den Weg vom Umkleideraum zum Arbeitsplatz und zurück sowie die Zeit fürs Umkleiden sind dann Arbeitszeit.

Der Zeitaufwand für das Waschen bzw. Duschen nach Arbeitsende ist Arbeitszeit, wenn es vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet wurde oder zwingende arbeitsschutzrechtliche Hygienevorschriften es verlangen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer bei der Arbeit mit gesundheitsgefährdenden Stoffen oder verunreinigten Gegenständen in Berührung kommt. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer bei der Arbeit so schmutzig wird, dass ihm ein Anziehen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebes und der Weg nach Hause ohne vorheriges Waschen bzw. Duschen nicht zugemutet werden kann. Eine übliche Verunreinigung bzw. ein übliches Schwitzen bei der Arbeit und die damit zusammenhängende Beseitigung von Schweiß und Körpergeruch durch ein Waschen oder Duschen reicht nicht aus. Als Anhaltspunkte für die Notwendigkeit, sich nach der Arbeit zu waschen oder zu duschen, können Arbeitsschutzvorschriften wie die Arbeitsstättenverordnung oder die Technischen Regeln für Arbeitsstätten herangezogen werden. Ein Duschen ist danach beispielsweise im Regelfall erforderlich, wenn bei der Arbeit eine Ganzkörper-Schutzausrüstung getragen werden muss.

Pauschale Aussagen sind nicht möglich. Es ist jeweils eine Prüfung des konkreten Einzelfalls nötig. Auf die subjektive Sicht des konkreten Arbeitnehmers kommt es nicht an sondern auf das, was ein „vernünftiger“ Arbeitnehmer objektiv für erforderlich halten darf.

Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeit und Vergütung

In Tarifverträgen können Regelungen zur Arbeitszeit und Vergütung getroffen werden. Es kann beispielsweise auch geregelt werden, dass Tätigkeiten wie Umkleiden, Waschen und Duschen anders zu vergüten sind als die eigentliche Arbeit. Ist die Regelung im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung nicht eindeutig, ist eine Auslegung erforderlich. In diesem Zusammenhang ist zwischen Regelungen zur Arbeitszeit (welche Zeiten werden auf die im Arbeitsvertrag geregelte Wochenarbeitszeit bzw. auf die nach dem Arbeitszeitgesetz maximal zulässige Arbeitszeit pro Tag angerechnet) und Regelungen zur Vergütungspflicht (welche Tätigkeiten sind wie zu vergüten) zu unterscheiden.

Im entschiedenen Fall war in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt, dass sich die Arbeitnehmer zu Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden müssen und die Zeitpunkte, an denen die Wasch- und Umkleideräume aufgesucht werden sollten. Die Dauer der Arbeitszeit sollte sich nach den Bestimmungen im Gesetz, im Tarifvertrag und im jeweiligen Arbeitsvertrag richten. In einer Betriebsvereinbarung war geregelt, dass die tägliche Arbeitszeit mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten endet.

Damit sollten nach Ansicht des Gerichts erkennbar nur Fragen der Arbeitszeit aber nicht von deren Vergütung geregelt werden, denn der Betriebsrat ist gem. § 87 BetrVG nur für die Lage der Arbeitszeit (also von wann bis wann zu arbeiten ist, z.B. Montags bis Freitags von 9 bis 17 Uhr), Überstunden und Kurzarbeit aber nicht für die Dauer der Arbeitszeit (z.B. 40-Stunden-Woche) oder deren Vergütung zuständig. Nach der Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG darf in einer Betriebsvereinbarung nichts zur Vergütung geregelt werden, wenn die Vergütung im einschlägigen Tarifvertrag (auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers kommt es nicht an) tatsächlich geregelt ist oder üblicherweise geregelt wird. Bei einem Verstoß wäre die entsprechende Regelung in der Betriebsvereinbarung unwirksam. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt (sog. Öffnungsklausel).

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u.v.m.