Ausgangssituation: Kündigung durch Arbeitgeber und Klage beim Arbeitsgericht
Wenn ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer kündigt und dieser Klage gegen die Kündigung beim Arbeitsgericht erhebt (sog. Kündigungsschutzklage), findet relativ schnell, meist innerhalb von 1-3 Wochen nach Eingang der Klage bei Gericht, ein Gütetermin statt. In diesem Termin versucht der Richter, einen Vergleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erreichen. In der Regel akzeptiert der Arbeitnehmer in diesem Vergleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und erhält im Gegenzug eine Abfindung und ein gutes Zeugnis. Kommt im Gütetermin keine Einigung zustande, findet der nächste Gerichtstermin (sog. Kammertermin mit 3 Richtern) meist erst einige Monate später statt. Bis zu einem Urteil über die Wirksamkeit der Kündigung vergehen meist noch einmal mehrere Monate. Ist die Kündigungsfrist bis dahin abgelaufen und arbeitet der Arbeitnehmer daher nicht mehr für den Arbeitgeber, weil das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Arbeitgebers beendet ist, hat der Arbeitgeber ein erhebliches Annahmeverzugsrisiko.
Annahmeverzugsrisiko Arbeitgeber
Erklärt das Arbeitsgericht die Kündigung im Urteil für unwirksam, ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sondern besteht unverändert weiter. Hat der Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeit weiter angeboten, muss ihm der Arbeitgeber dann das vereinbarte Gehalt zahlen und zwar auch rückwirkend für die Zeit zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem Urteil, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum keine Arbeitsleistung für den Arbeitgeber erbracht hat. Sind seit dem vermeintlichen Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Urteil mehrere Monate oder sogar Jahre vergangen, kann dies für den Arbeitgeber teuer werden.
Von diesem Gehaltsanspruch wird aber das abgezogen, was der Arbeitnehmer bei einem neuen Arbeitgeber verdient – wenn er in der Zwischenzeit eine neue Stelle gefunden hat – bzw. was er böswillig unterlässt, zu verdienen.
Bisher schwierige Beweislage für den Arbeitgeber
Das böswillige Unterlassen eines anderweitigen Verdienstes war für den Arbeitgeber in der Vergangenheit kaum zu beweisen. Schließlich ist dem Arbeitgeber nicht bekannt, welche Stellenangebote der Arbeitnehmer hatte und ohne triftigen Grund abgelehnt hat. Dies führte oft dazu, dass sich Arbeitgeber auf einen Vergleich mit einer eigentlich zu hohen Abfindung eingelassen haben, um das Risiko zu vermeiden, später einen noch höheren Annahmeverzugslohn zahlen zu müssen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Mai 2020 (Az.: 5 AZR 387/19)
Das Bundesarbeitsgericht, das höchste deutsche Arbeitsgericht, hat vor Kurzem entschieden, dass der Arbeitgeber in dieser Situation einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer hat. Macht der Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn geltend, muss er dem Arbeitgeber die ihm von der Arbeitsagentur bzw. dem Jobcenter gemachten Vermittlungsvorschläge nennen. Dabei muss er die Tätigkeit, den Arbeitsort und die Höhe der Vergütung mitteilen. Dies folgt nach den Richtern aus einer Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis.
Folgen für die Praxis
Macht der Arbeitgeber nach erteilter Auskunft einen böswillig unterlassenen anderweitigen Verdienst des gekündigten Arbeitnehmers geltend, muss der Arbeitnehmer darlegen, warum die angebotene Stelle für ihn unzumutbar war und er diese daher ablehnen durfte. Zeigt sich in nächster Zeit, dass dies für Arbeitnehmer nicht so einfach ist, dürfte dies dazu führen, dass in Zukunft vor dem Arbeitsgericht Vergleiche mit angemessenen Abfindungsbeträgen geschlossen werden. Arbeitgeber sollten daher in Zukunft gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig zur Auskunft über einen anderweitigen Verdienst und Jobangebote bzw. Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur auffordern.
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