Ein Arbeitszeugnis darf laut Gerichtsurteil nicht wie ein Schulzeugnis in tabellarischer Form ausgestellt werden. Wir erklären Ihnen in diesem Beitrag die Einzelheiten.
Sachverhalt: Arbeitnehmer erhält Arbeitszeugnis in tabellarischer Form
Ein Arbeitnehmer erhielt nach seinem Ausscheiden beim Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis, das wie ein Schulzeugnis aussah. In einer Tabelle waren stichwortartig Bewertungskriterien wie Pünktlichkeit, Hygienevorgaben und Fachkenntnisse genannt und mit Schulnoten versehen worden sowie am Ende die Gesamtnote „befriedigend“ angegeben. Mit dieser tabellarischen Darstellung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung war der Arbeitnehmer – wie auch mit der vergebenen Note – nicht einverstanden und erhob Klage vor dem Arbeitsgericht. Er begründete seine Klage damit, dass eine solche unübliche Darstellung einen negativen Eindruck erwecken kann.
Urteile Arbeitsgerichte (BAG, Urteil vom 27.04.2021, Az.: 9 AZR 262/20)
Das Arbeitsgericht gab der Klage des Arbeitnehmers teilweise statt und formulierte ein Zeugnis im Fließtext. Das Landesarbeitsgericht dagegen hielt die vom Arbeitgeber gewählte tabellarische Form für zulässig. Das Bundesarbeitsgericht hingegen gab wieder dem Arbeitnehmer Recht.
Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht dadurch, dass er Leistung und Verhalten in einer an ein Schulzeugnis angelehnten Tabellenform beurteilt. Individuelle Hervorhebungen und Differenzierungen in der Beurteilung von Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers lassen sich in der Regel nur durch ein im Fließtext formuliertes Arbeitszeugnis angemessen darstellen.
Vorgaben zum Arbeitszeugnis im Gesetz
Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Der Arbeitnehmer kann aber auch ein sog. qualifiziertes Zeugnis verlangen. In diesem Fall muss das Zeugnis auch Angaben zu Leistung und Verhalten enthalten. Das Zeugnis muss zudem klar und verständlich formuliert sein.
Arbeitszeugnis erfordert individuelle Leistungs- und Verhaltensbeurteilung u. damit individuellen Fließtext:
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts genügt eine Beurteilung in Form einer tabellarischen Darstellung und Bewertung stichwortartig beschriebener Tätigkeiten nach Schulnoten nicht den Anforderungen an ein qualifiziertes Zeugnis. Das qualifizierte Arbeitszeugnis ist ein individuell auf den einzelnen Arbeitnehmer zugeschnittenes Arbeitspapier. Es soll die persönliche Leistung und das persönliche Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses dokumentieren. Durch die tabellarische Aufzählung von Einzelkriterien und Schulnoten wird die notwendige individuelle Leistungs- und Verhaltensbeurteilung des Arbeitnehmers nicht erreicht. Im Regelfall ist ein individuell verfasster (Fließ-)Text erforderlich.
Schulzeugnis
In der Schule dagegen beruhen die Noten im Zeugnis im Regelfall auf schriftlichen Klassenarbeiten, in denen die Leistung aller Schüler einer Klasse in Bezug auf einen bestimmten Lernstoff ermittelt wird. Hier sorgen die Noten in tabellarischer Form daher für Objektivität und Vergleichbarkeit.
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u.v.m.