In diesem Beitrag erläutern wir Widerruf und Annahmefrist von Angeboten anhand eines Urteils über ein Vergleichsangebot.
Widerruf einer Erklärung (z.B. Angebot, Annahme eines Angebots, Bestellung)
Eine Erklärung, die man gegenüber einer anderen Person abgibt, wird erst wirksam, wenn sie der anderen Person zugeht. Das Wirksamwerden kann verhindert werden, wenn der anderen Person vorher oder jedenfalls gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Hat man also eine Erklärung durch einen mit der Post verschickten Brief oder ein Einschreiben abgegeben, kann man dieses noch widerrufen, wenn man relativ zeitnah eine E-Mail mit einem Widerruf hinterherschickt.
Bei einem Verbrauchervertrag, also einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem gewerblichen Anbieter, gibt es bei online oder telefonisch geschlossenen Verträgen noch ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Ansonsten bleibt nur eine Anfechtung der Erklärung, wenn es zu einem Irrtum gekommen ist oder man durch Täuschung oder Drohung zur Abgabe der Erklärung gebracht wurde. Eine Anfechtung ist nur unverzüglich (i.d.R. maximal zwei Wochen) möglich, bei einer Täuschung oder Drohung beträgt die Frist ein Jahr.
BGH, Urteil vom 06.10.2022, Az.: VII ZR 895/21: Vergleichsangebot per E-Mail – Widerruf kaum möglich
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Vergleichsangebot per E-Mail übersandt wurde. Der BGH entschied, dass eine E-Mail, die an einem Werktag während der üblichen Geschäftszeit an ein Unternehmen verschickt wird, in dem Moment zugeht, in dem sie abrufbereit auf dem Server liegt und der Adressat sie daher im E-Mail-Postfach (E-Mail-Eingang) abrufen kann. Darauf, ob der Empfänger sie tatsächlich liest oder den Eingang der E-Mail auch nur zur Kenntnis nimmt, kommt es nicht an.
Ein Bauherr und eine Gartenbaufirma hatten sich nach Fertigstellung einer Begrünung der Außenwand eines Objekts (Auftragsvolumen 250.000 €) um die Berechtigung zahlreicher Kürzungen durch den Bauherrn gestritten. Schließlich gab der Gartenbauer per E-Mail ein Vergleichsangebot ab, nach dem der Bauherr noch einen Betrag von 14.000 € zzgl. Anwaltskosten zahlen sollte und damit alles abgegolten und erledigt ist (sog. Abgeltungs- und Erledigungsklausel). Eine Dreiviertelstunde (45 Minuten) später schickte er eine neue E-Mail, nach der eine abschließende Prüfung der offenen Forderung noch nicht erfolgt und die vorherige E-Mail daher nicht zu berücksichtigen ist. Einige Tage später legte er eine neue Schlussrechnung über 22.000 € vor. Der Bauherr zahlte eine Woche später aber nicht den Betrag aus der Schlussrechnung sondern die im Vergleichsangebot genannte Summe. Der Gartenbauer erhob daraufhin Klage wegen des Differenzbetrages und verlor in allen Instanzen.
Wirksamer Vergleich durch Angebot und Annahme
Nach Ansicht des BGH war die Restforderung durch den Vergleich erloschen. Das Vergleichsangebot des Gartenbauers hatte der Bauherr durch die Zahlung des Vergleichsbetrages angenommen (sog. konkludente Annahme). Eine ausdrückliche Erklärung, dass er das Angebot annimmt, war nicht nötig.
Frist für Angebotsannahme
Der Bauherr zahlte innerhalb von einer Woche ab Erhalt der E-Mail mit dem Vergleichsangebot. Dies war nach Ansicht der Richter rechtzeitig.
Sofern keine Frist für die Annahme des Angebots gesetzt worden ist, kann ein Angebot nach dem Gesetz angenommen werden, solange „der Eingang einer Antwort unter regelmäßigen Umständen erwartet werden darf“. Im entschiedenen Fall ging der BGH davon aus, dass eine Antwort auf das Angebot innerhalb von zwei Wochen zu erwarten war. So lange hatte daher das Angebot Bestand und konnte angenommen werden.
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